Der Gerichtshof entschied dabei:
„Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er auf die Vermietung auf Dauer eingebauter Vorrichtungen und Maschinen keine Anwendung findet, wenn diese Vermietung eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie steuerbefreiten Pachtvertrags erbracht wird, und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden.“
(EuGH C-516/21 04.05.2023)
Hintergrund:
Schon vor Jahren ging es immer wieder um die Frage, ob ein Umsatz aus einer Leistung, welche in mehrere Einzelleistungen aufgeteilt werden kann, zu unterschiedlichen Steuersätzen umsatzsteuerpflichtig werden kann. Bereits in früheren Urteilen hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass auf eine einheitliche Leistung nur ein Steuersatz anwendbar ist. Eine solche ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige mindestens zwei Handlungen vornimmt, die objektiv eine untrennbare wirtschaftliche Leistung darstellen, deren Aufspalten wirklichkeitsfremd wäre. In diesem Rahmen wurde von einer Unterteilung der Leistung in Haupt- und Nebenleistung gesprochen. Die Leistungen werden einheitlich zum Steuersatz der Hauptleistung besteuert. Auch in Bezug auf Art. 135 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (RL 2006/ 112/EG) wurde zum Teil ein Aufteilungsgebot bei Grundstücksvermietungen begründet.
Warum hat der Gerichtshof erneut entschieden?
Im Grundsatz gilt, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Art. 135 Abs. 1 Buchst. l RL 2006/112/EG befreit die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuerpflicht. In Art. 135 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c RL 2006/112/EG wird die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen allerdings von der Befreiung der Umsatzsteuerpflicht ausgeschlossen. Im deutschen Recht wird dies in § 4 Nr. 12 S. 2 UStG geregelt.
In dem strittigen Fall ging es um die Verpachtung eines Stallgebäudes zur Putenzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Es wurde ein einheitliches Entgelt für die Verpachtung des Gebäudes sowie für die Vorrichtungen und Maschinen gezahlt. Das Finanzamt war der Ansicht, dass beide Leistungen getrennt voneinander besteuert werden müssen und die Verpachtung des Stallgebäudes somit gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. l RL 2006/112/EG bzw. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UstG umsatzsteuerfrei ist. Die Pacht der Vorrichtungen und Maschinen sollte hingegen nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c RL 2006/112/EG bzw. § 4 Nr. 12 Satz 2 UstG der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Das Finanzgericht folgte dieser Auffassung jedoch nicht, woraufhin das Finanzamt gegen das Urteil Revision einlegte. Der Bundesfinanzhof hatte bezüglich der Auslegung von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c RL 2006/112/EG Zweifel, weshalb er die Frage, ob auch eine Steuerbefreiung i. S. d Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c RL 2006/112/EG vorliegt, wenn die Verpachtung von eingebauten Vorrichtungen und Maschinen im Rahmen einer Gebäudeverpachtung erfolgt, an den Europäischen Gerichtshof weitergab.
Wie kam der Gerichtshof zu seiner Entscheidung?
Der Gerichtshof bezieht sich in seiner Entscheidung auf seine bisherige Rechtsprechung. Im Rahmen dieser argumentiert er, dass für Umsätze, die sich aus verschiedenen Einzelleistungen und Handlungen zusammensetzen, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Mit dieser soll bestimmt werden, ob der Umsatz als einheitliche oder getrennte Leistung besteuert wird. Ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf nicht künstlich aufgespalten werden, da dies gegen das Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems sprechen würde. Es muss demnach abgegrenzt werden, ob es sich um eine wirtschaftlich einheitliche Leistung handelt. Hierbei muss die Leistung in Haupt- und Nebenleistung unterteilt werden.
Es ist insbesondere von einer Nebenleistung auszugehen, wenn diese dem Kunden nur dazu dient, die Hauptleistung optimal zu nutzen und sie keinen eigenen Zweck darstellt. Im Falle einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung wird die Nebenleistung umsatzsteuerrechtlich gleich der Hauptleistung behandelt.
Dies bedeutet konkret, dass ein Umsatz aus einem Pachtvertrag, in dem die Hauptleistung die Verpachtung einer Immobilie darstellt, auch nicht der Umsatzsteuer unterliegt, wenn die Verpachtung einer Immobilie mit der Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen als Nebenleistung eine einheitliche Leistung darstellt.
Da der Grundsatz lautet, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt, sind Steuerbefreiungen nach Art. 135 Abs. 1 RL 2006/112/EG eng auszulegen und Ausnahmen der Steuerbefreiung gem. Art. 135 Abs. 2 RL 2006/112/EG weit auszulegen.
Das Wichtigste zusammengefasst:
Der Gerichtshof hat noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass einheitliche Leistungen nicht getrennt besteuert werden. Sie werden stattdessen in Haupt- und Nebenleistung aufgeteilt und unterliegen dem Steuersatz der Hauptleistung. Wird ein Pachtvertrag, bestehend aus der Verpachtung eines Gebäudes und der Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen zwischen denselben Parteien, geschlossen, ist zunächst die Frage zu stellen, ob die beiden Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellen. Stellt die Hauptleistung die Verpachtung eines Gebäudes dar, die nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l RL 2006/112/EG umsatzsteuerbefreit ist, unterliegt der komplette Umsatz aus dem Pachtvertrag nicht der Umsatzsteuer. Die Ausnahmen nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c RL 2006/112/EG greifen hier für die Verpachtung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen nicht.